Erste Station – Jesus wird zum Tode verurteilt
Jesus wird zum Tode verurteilt. Das ist der Titel der ersten Kreuzwegstation. Der Sohn Gottes steht in scheinbarer Ohnmacht vor Pilatus, dem Repräsentanten des römischen Kaisers, der stärksten irdischen Macht jener Zeit. Der Römer stellt Fragen an den für ihn rätselhaften Gefangenen: Ober er ein König und wo denn sein Reich sei? Und dazu die abgründige Frage: „Was ist Wahrheit?“ Das Zwiegespräch endet im Schweigen des Angeklagten und in seiner Verurteilung zum Tode.
Wir alle sind sterblich und darum zum Tode verurteilt. Der Sohn Gottes ist gekommen, um sterbend und auferstehend eine Bresche zu schlagen in die Mauer von Schuld und Tod, die die Menschheit einschließt.
First Station – Jesus is condemed to death
This is the title of the first station of the cross. The Son of God stands seemingly powerless before Pilate, the representative of the Roman emperor, the strongest earthly power of the time. The Roman asks questions of the, for him, puzzling prisoner: Whether or not he is a king, and where is his kingdom? And in addition the unfathomable question: „What is truth?“ The dialog ends in the silence of the accused and in His sentence to death.
We all are mortal and, therefore, condemned to death. By His death and resurrection the Son of God came to make a breach in the wall of sin and death which surrounds mankind.
Führich stellt hier nach seinen eigenen Worten dar, wie „dieser Pontius die heuchlerische Zeremonie der Händewaschung vornimmt, während der unschuldig verurteilte Heilige der Heiligen zum schauerlichen Tode fortgerissen wird“. Der dargestellt Moment interpretiert somit das an sich statische und anschauliche Thema der Urteilsverkündung dynamisch: als das Auslösen der Bewegung des Kreuzweges.
Mit scharfem Realismus sind hier wie in allen folgenden Bildern die aus nächster Nähe gesehenen Personen vor allem in ihren Gesichtszügen charakterisiert. Sie zwingen den Betrachter, sich in sie zu vertiefen, lassen ihn nicht im Unklaren über die moralischen Hintergründe der Handlung und führen seinen Blick durch das Geschehen. Die bildbestimmte, aus den Hauptpersonen bestehende, diagonale, nach links größer werdende Figurenkette ergibt einen nach links und gegen den Betrachter anschwellenden Bewegungszug. Die Bewegungen werden aber durch Drehungen immer wieder in die Bildfläche zurückgelenkt und durch das dichte Beieinander der Aktionsträger von einer Nachbarfigur aufgehalten. Auch Plastizität, Buntheit und Helligkeit nehmen nach vorne hin zu, so dass die ganze Bildfülle nach vorn zu drängen, gleichzeitig aber in der Fläche zurückgehalten scheint. In höchst spannungsvoller und dynamischer Weise erleben wir so, gleichsam als reales Publikum des Pilatus, aus nächster Nähe die Abführung Christi nicht nur als eine Bewegung, die von uns weg- und an uns vorbeizieht, sondern als eine solche, die uns direkt bedrängt.
Betrachtungsgedanken: Dr. Egon Kapellari (Übersetzung/Translation: Heidi Steinwender); Dr. Rittinger
Erstellt am 13.2.2008