Eine Initiative der Pfarrjugend
#outinchurch
Am 24.01.2022 wurde eine Dokumentation in der ARD Mediathek mit dem Titel “Wie Gott uns schuf” veröffentlicht. In 60 Minuten sieht man über 100 Menschen, die für die Kirche arbeiten und aufgrund dessen ihre Identität in Form ihrer Sexualität verheimlichen müssen und deren “Outing” Folgen auf ihr Arbeitsleben haben kann. Diese Dokumentation hat kein neues Thema aufgezeigt, sondern Aufmerksamkeit auf ein Problem gelenkt mit dem viele Menschen in ihrem Leben kämpfen und diesen Menschen eine Stimme gegeben.
(Link zur Doku: Wie Gott uns schuf | Die Doku | ARD Mediathek)
Die Forderungen von #outinchurch ist unter anderem die Veränderung des kirchlichen Arbeitsleben. Wenn Sie die Kampagne unterstützen wollen, dann können Sie die Petition unterschreiben (Petition · #OutInChurch – Für eine Kirche ohne Angst. · Change.org). Die genauen Forderungen finden Sie auch auf der Homepage.(#OutInChurch – Für eine Kirche ohne Angst)
Hier noch 2 kurze Begriffsdefinitionen:
Queer: umfasst alle Untergruppen der LGBTQIA+ Community, ohne eine Gruppe besonders hervorzuheben.
LGBTQIA+: Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer, Intersex, Asexuell und das Plus steht für alle nicht genannten queeren Personen
Planung mit Angst
Am 13.02.2022 wollten wir einen Sonntagsgottesdienst zu genau diesem Thema machen und die Tatsache, dass dieser nicht stattgefunden hat bestätigt uns nur darin, dass er mehr als notwendig gewesen wäre. Wir haben mit der Vorbereitung unserer Messe begonnen mit dem Gedanken, dass sie vielleicht nicht stattfinden könnte. Mit dieser Einstellung beginnt man normalerweise keine Gottesdienstplanung, denn warum sollte man einen Gottesdienst der vollständig geplant ist absagen?
Nach ein paar Tagen wurde uns bereits klar, dass wir bereits lang vor der Messe etwas losgetreten haben, mehrere Menschen haben sich bei uns gemeldet entweder um etwas auszusetzen oder um uns zu versichern, dass wir auf ihre Unterstützung zählen können. Außerdem haben wir Texte gesammelt, von Menschen aus unserer Gemeinde die der queeren Community angehören oder einfach etwas dazu sagen wollten.
Überraschende Wendung?
Am 07.02.2022 hatten wir dann die Besprechung der Messe, wir haben wohl mit allem gerechnet außer mit dem was passiert ist: ein vollständiges “Ja”, von mehreren Seiten, zu allem was wir geplant hatten. Mit diesem Zuspruch haben wir nicht gerechnet, da die Kirche oft sehr gut ist darin kritische Themen unter den Tisch zu kehren und genau das haben wir in den folgenden Tagen zu spüren bekommen.
Warum muss es ein Sonntagsgottesdienst sein?
Diese Frage wurde uns gestellt und wir können sie bis heute weder verstehen noch beantworten. Alles was uns dazu einfällt ist: Warum nicht?
Wir haben unsere Aufgabe darin gesehen, den queeren Menschen in unserem Pfarrgebiet Aufmerksamkeit zu schenken und möglichst viele Menschen jeglicher Altersgruppe zu erreichen. Da die Sonntagsvormittagsmesse die meisten Besucher:innen hat fiel die Wahl nicht schwer. Um die Zukunft der Kirche ein bisschen mitgestalten zu können war es uns wichtig, dass auch die jüngsten Mitglieder:innen unserer Gemeinde die Messe mitfeiern können. Die Kirche soll ein safe space für alle sein und niemand soll das Gefühl haben, sich in irgendeiner Weise verstellen zu müssen. Kinder sollen sich mit jemandem identifizieren können und sehen, dass sie gottgewollt sind so wie sie sind. Genau aus diesem Grund müssen solche Themen auch in einer Sonntagsvormittagsmesse Platz haben.
Warum kein Jugendgottesdienst?
Diese Frage ist einfach zu beantworten: wenn man groß ankündigt, dass ein Jugendgottesdienst unter diesem Thema stattfindet, dann erreicht man jene Leute, die an der Vorbereitung des Gottesdienstes beteiligt waren und dementsprechend keine Aufklärung zur LGBTQIA+ Community brauchen. Außerdem ist es kein Thema, das nur die Jugend betrifft.
Das soll nicht heißen, dass Queer sein nicht in einem Jugendgottesdienst behandelt werden soll!
Was sagt die Bibel dazu?
Wer sich darauf bezieht, dass in der Bibel auch keine Personen aus der LGBTQIA+ Community erwähnt werden, der sollte sich einmal den Zeitpunkt anschauen zu dem die Bibel übersetzt und ausgelegt wurde. Zu diesem Zeitpunkt durften queere Menschen in der Gesellschaft nicht offen Leben und haben auch keinen Platz in historischen Texten bekommen. So sind wir heute aber nicht mehr! Jesus spricht im Evangelium LK 6, 17.20-26 davon, dass diejenigen die gehasst werden, selig sind. Alle sind eingeladen ihm nachzufolgen. Er hat beim Aussuchen seiner Jünger nicht nach der Sexualität gefragt, somit ist jede:r Teil der Kirche und Nachfolger:in Jesu.
Hier möchten wir auf einen Text hinweisen von Leni Völk, den sie unten angefügt finden.
Könnt ihr das streichen?
Wir haben in den letzten Jahren viele Messen vorbereitet und bis zu dieser Messvorbereitung, wurden wir noch nie gebeten, einzelne Sätze aus unserer Predigt zu streichen. Zugegeben: einige Aussagen sind sehr provokant formuliert. Wir haben darauf geachtet, nichts unbegründet stehen zu lassen, dennoch kam die Reaktion: Bitte Streichen!
Ein Beispiel dafür ist eine Frage am Ende der vorbereiteten Predigt, wir haben einen Priester aus der Dokumentation “Wie Gott uns schuf” zitiert. Er ist Homosexuell und ihn, wie auch uns beschäftigt die Frage: “Warum darf ein Priester der im Zölibat lebt nicht homosexuell sein?”
Enttäuschung und Hoffnung
Die Vorbereitung unserer Messe hat wie bereits erwähnt schnell große Wellen geschlagen, schließlich wurde der Gottesdienst aus “kirchenpolitischen Gründen” abgesagt. Die Absage für die Messe hat nicht nur uns persönlich getroffen, vor allem waren jene Menschen betroffen die bereit waren ihre persönlichen Gedanken zu teilen und darauf gehofft haben, gehört zu werden. Aus diesem Grund können Sie am Ende von diesem Eintrag alle vorbereiteten Texte lesen.
Hoffnung auf Veränderung macht ein Interview von Kardinal Schönborn, am 28.03.2021 äußerte er sich zum Thema “Segen für alle” mit der Bitte weniger über Sexualität und mehr über Liebe zu sprechen.
(Interview Kardinal Christoph Schönborn: 2021-03-28 Pressestunde mit Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien vom 28.03.2021 – YouTube (32:11))
Fürbitten für Anwesende
Beim Feedback zu unserem Messablauf wurden wir gebeten weitere Fürbitten einzufügen, Fürbitten für die “präsente Gemeinde”. Unsere Fürbitten waren für Menschen formuliert, die sich der LGBTQIA+ Community zugehörig fühlen, also für jene, die anwesend sind und normalerweise keinen Platz in den Fürbitten bekommen. Es war eine bewusste Entscheidung einmal jene Menschen, auch wenn es vielleicht eine Minderheit ist, in den Fürbitten anzusprechen, um ihnen ein Gefühl der Sichtbarkeit geben zu können.
Das dieses Thema schwierig ist und in der Kirche auf Ablehnung stößt war uns bewusst, aber das darf in Zukunft nicht mehr sein. Wir haben gesehen, dass die Kirche noch einen langen und steinigen Weg vor sich hat, aber es braucht Taten, um Veränderungen zu bewirken. Dieser Text und die Doku und viele weitere Statements sind kleine Schritte in die richtige Richtung für eine tolerante und offene Kirche, in der in jeglicher Hinsicht Nächstenliebe gelebt wird.
Theresa Kert und Isa Dietrich
Texte von Pfarrmitgliedern:
In immer noch 15 Ländern auf dieser Welt zählt Homosexualität als Sünde, in 6 Ländern gilt darauf sogar die Todesstrafe!
Mittlerweile haben 30 Länder die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet.
Gott hat uns so gewollt wie wir sind. Er sieht den Menschen und nicht seine sexuelle Orientierung. So wie Jesus in jedem nur den Menschen gesehen hat, soll doch bitte auch die Kirche jeden Menschen so sehen und akzeptieren wie er ist. Homosexualität kam nicht von heute auf morgen, es ist kein Trend. Sie war immer schon da, man wird so geboren.
Ich will als Leni gesehen werden, so wie ich bin und nicht anders, nur weil ich mit einer Frau zusammen bin. Man schaut ja auch nicht auf die Politische Gesinnung oder wie viele Kinder jemand hat. Gott wird sich schon etwas dabei gedacht haben als er uns schuf. Wir sind in Gottes Hand und er liebt uns so wie wir sind und das können wir uns auch von unseren Mitmenschen wünschen. Mein Glaube und meine persönliche Beziehung zu Gott haben sich dadurch nicht verändert.
Ein paar Beispiele:
Im 1. Buch Mose 2:18 steht: „Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm jemanden zur Seite stellen, der zu ihm passt “…es ist also nicht wichtig ob Mann und Frau, Mann und Mann oder Frau und Frau.
Buch Kohlest 4,10-12: Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf. Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne dass einer bei ihm ist, der ihn aufrichtet. Außerdem: Wenn zwei zusammen schlafen, wärmt einer den andern; / einer allein – wie soll er warm werden? Und wenn jemand einen Einzelnen auch überwältigt, / zwei sind ihm gewachsen / und eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell.
Galater 5,6: Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnitten sein etwas, sondern dein Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Galater 3,26-27: …Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau;…
Und das Allerwichtigste ist doch: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst
In ein paar Jahren will ich meine Freundin heiraten, sowohl standesamtlich als auch kirchlich, und mit ihr Kinder haben ohne verurteilt zu werden.
Jesus hat uns vorgelebt die Menschen anzunehmen wie sie sind und genau das wünsche ich mir von der Kirche und meinen Mitmenschen.
-Leni Völk
Wenn es um die LGBTQ+ community geht, wird meist von Homosexuellen und Trans-Leuten geredet. Ich bin weder noch. Ich bin Asexuell und Aromantisch.
Die katholische Kirche verleiht einem oft das Bild, dass es nur einen natürlichen Pfad im Leben gibt: Heiraten und Kinder bekommen. Im Jänner nannte der Papst diejenigen, die sich weigern, Eltern zu werden, egoistisch.
Was ist mit denen, die nicht in dieses Bild passen? Muss man sich dem fügen, auch wenn man sein ganzes Leben daran leidet?
Genau diese Heteronormativität führt oft zu unserer dehumanisierung. Ich bin nicht kaputt, nur weil Romantik und Lust nicht Teil meines Lebens sind. Ich liebe meine Freunde und meine Familie, und das ist mehr als genug.
Ich befinde mich am Asexuellen Spektrum. Mir persönlich ist die Kirche als Institution nicht wirklich wichtig, ich wollte zeigen, dass ich auch da bin, Es wäre sehr nett, wenn sich etwas an der Sicht der Kirche gegenüber bestimmten Themen (Sexismus, Homophobie…) ändern würde. Vielleicht ist das hier ein Anfang.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ – Der Brief des Paulus an die Galater (Gal 5, 14) Im Glauben des Christentums wird die Liebe zum Nächsten gelehrt. Die Liebe Gottes sei grenzenlos. Ist diese Liebe wahrhaftig grenzenlos? Wo stößt sie an ihre Grenzen? Als ich im Jahr 2020 aus der Kirche austrat, wurde mir ein Brief der Kirsche zugeschickt. Es war eine Abschiedsnachricht abgedruckt, die es bedauerte, dass ich nunmehr nicht mehr die Kirche besuchen werde. Anbei, unter vielen Informationsblättern, stach besonders eines hervor: das Angebot etwaige Anliegen aufzuschreiben und an die zugehörige Zweigstelle der Kirche zu schicken – also eine Möglichkeit zur Lösung persönlicher Probleme mit der Kirche. Obwohl ich mit dem Gedanken spielte, entschloss ich mich letztlich dagegen. Dafür sind meine Konflikte mit der Kirche zu tiefreichend. Stattdessen sollte der Ausstieg aus der Kirche ein stiller Protest sein. Mittlerweile haben mir Freund:innen gezeigt, dass Stille kein Weg zum Ziel ist. Und das gilt auch für eine Gemeinschaft. Denn homosexuelle, bisexuelle, trans und inter Personen sind immer schon Teil der Glaubensgemeinschaft gewesen und werden es weiterhin sein. Was wir brauchen ist die Nächstenliebe einer aktiven Gemeinschaft, die mehr beisteuert als einen reaktionären Brief zu einer möglichen Begründung für einen Kirchenaustritt. Denn es ist nie eine Frage von einem ʼwir‘, die Glaubensgemeinschaft, und den vermeintlich Anderen, wie LGBTQ+ zugehörigen Personen. Vielmehr gilt es in Zukunft die Grenzen von Akzeptanz und Liebe auszuweiten und die Stille um die Präsenz von homosexuellen, bisexuellen, trans und inter Personen in der Kirche zu brechen