Zwölfte Station – Jesus stirbt am Kreuz
Gott ist Allmacht. Zugleich aber ist er Liebe. Der Sohn Gottes ist die menschgewordene Liebe. Liebe zwingt nicht, sie ist verletzlich und sie wird verletzt, wird durchbohrt. Die letzte Station des Weges Jesu ist darum das Kreuz. Hier durchdringt ihn alles Verfeindete, alles Böse dieser Welt. Hier wird aber auch alles zusammengebunden, was aus Schuld getrennt worden ist: Gott und Mensch, Mensch und Mensch.
In dieser Spannung, ja Überdehnung zerbricht das Gefäß des Leibes Christi, sein Herz rinnt aus. Das Lamm erliegt den Wölfen. Aber dies ist nicht das Ende. Die Liebe Christi ist stärker als der Tod. In die Düsterkeit des Karfreitags scheint schon etwas vom Licht des Ostermorgens.
Twelfth Station: Jesus dies on the cross
God is almighty. But at the same time He is love. The Son of God is personified love. Love uses no force, but is vulnerable and is hurt, is even pierced. Therefore, the last station of Jesus’ journey is the cross. Here He is pervaded by all hostilities, every evil of this world. But here also everything is bound together which had been separated by sin: God and man, man and man.
Under this tension, yes over-straining, the vessel of the Body of Christ breaks to pieces, His heart efuses. The Lamb succombs to the wolves. But that is not the end. The Body of Christ is stronger than death. In the gloom of Good Friday the light of Easter morning already glows.
„Der Kern der Sonne war fahl und dunkel …, ein roter Ring umgab sie … Um das Kreuz war es stille …,viele Leute flohen in die Stadt … Abenadar, der Hauptmann …,hielt, seit er Jesus mit dem Essig tränkte …, dicht am Kreuzeshügel … Er schaute lange tief erschüttert, ernst, unabgewandt ins dornengekrönte Antlitz unseres Herrn … Da sprach der Herr die letzten Worte laut und kräftig und starb mit Erde, Höll’ und Himmel laut durchdringendem Geschrei … Das Zeugnis Gottes ging mit Schreck und Schauder mahnend tief durch die trauernde Natur … Da war es, dass die Gnade über Abenadar kam, da zitterte sein Ross und wankte seine Leidenschaft und brach sein stolzer, harter Sinn gleich dem Calvarifels, er warf den Speer von sich und schlug mit starker Faust gewaltig an sein Herz, laut schreiend mit der Stimme eines neuen Menschen: ,Gelobt sei Gott, der Allmächtige, der Gott Abrahams und Jakobs, dieser war ein gerechter Mann, wahrhaftig, er ist Gottes Sohn! … Es kam ein tiefes Erschrecken über alle Anwesenden mit dem Todesschrei Jesu, als die Erde bebte und der Kreuzhügel zersprang …, da stiegen viele Tote aus den Gräbern, da sanken Wände im Tempel, stürzten Berge und Gebäude in vielen Weltgegenden ein … Da der liebende Herr allen Lebens … seinen Leib dahingab in den Tod, überzog dieses heilige zerschmetternde Gefäß die bleiche, kalte Farbe des Todes … Sein Angesicht ward länger, seine Wangen sanken ganz ein, seine Nase ward schmaler und spitziger, seine Kinnlade sank nieder, seine geschlossenen, blutvollen Augen öffneten sich halbgebrochen … Seine Hände, früher um die Nägelköpfe gekrümmt, öffneten sich und sanken mehr hervor, indem die Arme sich ganz streckten … Da erstarrten die Hände seiner Mutter, ihre Augen verdunkelten sich, Todesbleiche bedeckte sie …, den fliehenden und wehklagenden durcheinander eilenden Menschen aber traten zum äußersten Entsetzen hie und da die erstandenen, wandelnden, mit hohler Stimme mahnenden Leichen entgegen. … sie wandelten meistens paarweise zu einzelnen Stellen der Stadt, traten dem hin- und herfliehenden Volke entgegen und zeugten mit kurzen Strafworten von Jesus …“
Betrachtungsgedanken: Dr. Egon Kapellari (Übersetzung/Translation: Heidi Steinwender); Dr. Rittinger
Erstellt am 13.2.2008